DIE REICHSSEESPORTSCHULE DER HJ GORCH FOCK

[Quelle: Bilder-Woche, 18. Jan. 1936. Einweihung der 1. Reichsseesportschule]
[Quelle: Bilder-Woche, 18. Jan. 1936. Einweihung der 1. Reichsseesportschule]
[Quelle: Aufbau und Wehr, S. 171. Reichsbildstelle der HJ]
[Quelle: Aufbau und Wehr, S. 171. Reichsbildstelle der HJ]

Matrosen beim Kutterpullen auf dem Huschtesee.

[Quelle: Aufbau und Wehr, S. 175. Reichsbildstelle der HJ]
[Quelle: Aufbau und Wehr, S. 175. Reichsbildstelle der HJ]

Matrosen lernen Terrestrische Navigation am Kreiselkompass - Tochtergerät.


Der Verfasser dieser website erachtet das nachfolgende Transcript aus dem "Spectator" als ein authentisches Zeitdokument, das in seiner Gesamtheit den Zeitgeist während der NS-Phase des Sporthauses Dubrow als Reichsseesportschule der Marine HJ treffend und detailreich wiederspiegelt. Einzelne oder gekürzte Textpassagen würden den Gesamteindruck schmälern. Gleichwohl wird hiermit die zeitgeschichtliche Dokumentationsabsicht bekräftigt. Der regimefreundliche und seinerzeit übliche Sprachgebrauch des Journalisten soll nicht der Verharmlosung, Nivelierung oder Glorifizierung der NS- Ideologie Vorschub leisten, sondern zur kritischen Auseinandersetzung anregen.

Diese Klarstellung findet Ihre Entsprechung in allen Untertiteln, die die Zeit der NS-Diktatur und ihrer Vorläufer Organisationen betreffen.

 DIE EINWEIHUNG DER REICHSSEESPORTSCHULE


Transcript des Artikels eines deutschen Korrespondenten im "Spectator", England.

The Spectator, Page 15, 27 December 1935: Die Reichs-Seesport-Schule

 

Im Süden von Berlin, ungefähr eine Stunde weit von der Reichshauptstadt, zwischen Storkow und Königswusterhausen liegt ein kleines märkisches Dorf an dem Flusse Dahme mit Namen Prieros. Hier, in einer idyllischen Einsamkeit, herrlich zwischen Wald und Wasser gelegen, hat sich die erste Reichs-Seesport-Schule der H. J. (Hitler-Jugend) eingerichtet, die am vergangenem Sonntag durch den Reichs- Jugend-Führer Baldur von Schirach persönlich eingeweiht wurde. Fünfundsiebzig Hitlerjungen erhalten hier ihre erste seemännische Ausbildung. Die Jungen werden aus allen Gauen und Gruppen der Hitlerjugend ausgewählt, um ihre Erziehung als Nachwuchs für die deutsche Seefahrt hier zu erhalten.

 

Die Seesport-Schule ist natürlich ganz im Sinne eines Soldatenlagers aufgemacht. Die gesamte Mannschaft ist zwei Gruppen eingeteilt, in eine Steuerbord-Wache und in eine Backbord-Wache. Diese Einteilung hat für die Schule bereits den Vorteil, dass die Knaben als Angehörige dieser beiden Mannschaften miteinander in Wettstreit treten. Morgens schon werden die Kinder von den Pfeifen der Wachführer zum Aufstehen geweckt. Später wird zu " Backen und Banken " gepfiffen ; das ist das Signal zum Essen. In einem grossen Ess-Saal treten die Jungen an, die EssenhoIer stürzen an die Kessel und bringen die kochende Brühe an die Bänke. Zum Weih-Besuch des Reichsjugend- Führers gab es etwas ganz besonderes, nämlich Gulasch und Senfgurken.

 

Vier Wochen dauert der Lehrgang. Die Hitler-Jungen bekommen eine Löhnung von zwanzig Pfennigen für den Tag. Sie tragen alle eine einheitliche Uniform und sind in Wachen eingeteilt. Zu lernen haben sie alles, was ein Seemann können muss. Angefangen von Spleissen und Knoten geht der Unterricht auch zu den " grossen " Dingen, also Kleinkaliber-schiessen, Keulenwerfen. Morsen, Winken mit Flaggen und selbstverständlich noch jede andere Art von Sport. Abends urn neun Uhr ertönt das Signal " Pfeifen und Lunten aus "und kurz darauf der Befehl " Licht aus, Ruhe im Haus "

 

Mit Herr von Schirach kamen auch viele Ehrengäste zum Weihetag der Schule. Als Vertreter des Kriegsministers kam der Kapitanleutnant Meyer-Dohner, der Ehrenführer der Marine-Hitler-Jugend Vize-Admiral von Trotha war da, ebenso Obergruppenführer Jagow und der Potsdamer Regierungspräsident Fromm. Auch der Bruder des Matrosen- Dichters Gorch Fock, der in der Skagerak-Schlacht ertrank, der Dichter Rudolf Kinau war mit seiner Schwester gekommen. Zu der Feier war auch eine starke Abordnung der Hitler- Jugend abkommandiert worden. Reichsjugendführer Schirach schritt die Front der Ehrenforrnationen ab und hielt dann die Weiherede. In ihr erhielt die Schule den Namen von Gorch Fock. Die Jungen wurden ermahnt, im Sinne des Dichters ganze Männer zu werden und sich zu einem kompromiss-losen Soldatentum zu bekennen. Dann wurde die Hymne der Jugend gesungen und der Führer der Schule meldete : „ Reichs- Seesport-Schule klar zu Besichtigung ! "

 

In drei Kuttern und vielen kleinen Booten, Dingis genannt, zeigten die Jungen ihr Können. Alle Manöverbefehle wurden klar und sicher exekutiert. Seemännische Arbeiten im Bootsschuppen wurden vorgeführt. Jeder der Schüler hatte ein paar Handgriffe zu zeigen. Dann wurde zum Meldedienst angetreten. In kurzer Zeit konnten die Melder die aufgefangenen Texte vorzeigen. Der erste lautete : "Der Name Wiesbaden (Name von Focks Schiff) verbindet uns mit Gorch Fock." Baldur von Schirach persönlich gab die zweite Aufgabe; sie lautete natürlich : " Der Marine- Hitler-Jugend ein Sieg-Heil " Den Abschluss bildeten Leibesübungen im Freien, seemännischer Unterricht und Dienst-Unterricht im Heim.

 

Da die Schule bereits vor einigen Wochen in Betrieb genommen worden war, ist der erste Lehrgang in kurzer Zeit beendet. Nun werden im monatlichen Wechsel weitere Kurse folgen. Weitere See-Sport-Schulen sollen in Kürze auch in anderen Orten Deutschland eingerichtet werden. Sind es hier, in den Märkischen Gewässern, auch erst nur drei Marine-Kutter, eine Motor-Barkasse und fünf Dingis, so ist mit dieser kleinen Flotte doch ein guter Start gemacht.

 

Denn Deutschlands Zukunft liegt wieder einmal auf dem Wasser. F.G.

 

[Leporello  RSSS ]
[Leporello RSSS ]
[Ehrenhalle]
[Ehrenhalle]
[Übungsplatz]
[Übungsplatz]
[Steg am See]
[Steg am See]
[Eingang]
[Eingang]
[Zimmer des Schulleiters]
[Zimmer des Schulleiters]
[Eskaladierwand]
[Eskaladierwand]
[Bootshafen]
[Bootshafen]
[Vorderansicht]
[Vorderansicht]
[Messe]
[Messe]
[Tingstätte]
[Tingstätte]
[Blick Schule auf den See]
[Blick Schule auf den See]
[Vorhalle]
[Vorhalle]
[Speisesaal und Kantine]
[Speisesaal und Kantine]
[Blick vom Huschtesee]
[Blick vom Huschtesee]

DIE AUSBILDUNG

Die Phase des "Sporthauses Dubrow" als Reichsseesportschule" von 1935 bis 1945 war die am kontinuierlichsten gegenüber den wechselnden Nutzungen der Folgezeit. Auch aus diesem Grund ist überproportional Quellenmaterial verfügbar.

 

Unter dem Deckmantel einer qualifizierten Ausbildung zur Handelsmarine und für staatliche Führungspositionen in Militär, Verwaltung und Partei wird um motivierte Jungen der Marine-Hitlerjugend in die "Reichsseesportschule Gorch Fock" geworben. Die Verwendung als "Nachschub und Ersatzmasse" für die Kriegsmarine stehen der Reichsführung allerdings im Vordergrund, wenngleich diese Ausrichtung verheimlicht bzw. verklärend dargestellt wird. In diversen Publikationen wird vordergründig das "Abenteuer auf See" und als heroische Steigerung, das "Brechen der Seegeltung Englands" als ideelles Ziel angesprochen.

[PK: Fotografin Barbara Soltmann. Privatarchiv: Saalfeld]
[PK: Fotografin Barbara Soltmann. Privatarchiv: Saalfeld]

Propaganda Fotos aus der Reichsseesportschule 1 Gorch Fock

[PK: Fotografin Barbara Soltmann. Privatarchiv: Saalfeld]
[PK: Fotografin Barbara Soltmann. Privatarchiv: Saalfeld]
[PK: Fotografin Barbara Soltmann. Privatarchiv: Saalfeld]
[PK: Fotografin Barbara Soltmann. Privatarchiv: Saalfeld]

[Aufn. Verlag Scherl: Marine HJ übt. Engelhard-Reyher-Verlag, Gotha. Privatarchiv Saalfeld]
[Aufn. Verlag Scherl: Marine HJ übt. Engelhard-Reyher-Verlag, Gotha. Privatarchiv Saalfeld]

Nachdem die Marine HJ im Schulungskomplex Quartier bezogen hatte, diente das ehemalige "Biergartengelände" als Übungsplatz. Der Kiefernbestand wurde gerodet, mit Sand aufgefüllt und planiert. Eine neue Stützmauer, um den Geländeunterschied aufzufangen und eine verbliebene Kieferreihe bilden die Uferlinie. Hervorzuheben ist der Flaggenmast mit Takelage zum Üben für die Signalgasten. Im Hintergrund der zweigeschossige Schlaftrakt.

 

In Unterlagen berichten Augenzeugen vom einstigen Blickfang am Huschtesee, dem orginalgetreuen Nachbau des Grossmastes der Gorch Fock. Die Nachbildung soll nach Angaben von Augenzeugen sowie nach Chronikberichten in Ufernähe vergraben worden sein.

[Quelle: www.varaderourlaubs.siteboard.eu]

DER ZEITZEUGE KURT-JÜRGEN VOIGT

Kurt-Jürgen Voigt (1926 - 2014) schildert als Zeitzeuge mit eindrucksvollen und beklemmenden Worten seine Erinnerungen während der Ausbildung an der Reichsseesportschule I Gorch Fock in Prieros. Kurt-Jürgen Voigt war ab 1960 Redakteur und Autor für TV + Film sowie Lehrbeauftragter für Medienkunst + Fotografie. Der Artikel erschien am 30. März 2010 im SPIEGEL/einestages und wird hier zur Verdeutlichung des Alltags und seiner düsteren Begleitumstände zitiert.

 

Jugend im Zweiten Weltkrieg "Wir weinten unter dem Kopfkissen"

 

Der Krieg beendete die Jugend: Schon als 14-Jähriger spürte Kurt-Jürgen Voigt, wie sich nach dem deutschen Überfall auf Polen sein Leben an der Flensburger Förde veränderte. 1941 musste er ins Drill-Lager der Hitlerjugend. Nach überstandener Tortur erwartete ihn zu Hause eine gefährliche Aufgabe.

 

So als wollte er uns noch einmal zeigen, was das Leben wert war, kam 1939 der Sommer in den schönsten Farben über uns. Es sollte der letzte Sommer vor dem großen Krieg sein. Die Flensburger Förde glitzerte, eingerahmt vom Grün der Wälder. Dampfer fuhren und die weißen Segel auf dem blauen Wasser machten den Anblick zu einem impressionistischen Gemälde. Mitten in diesem idyllischen Sommer verkündete die Stimme des Führers über die Volksempfänger das Unheil: Deutsche Truppen fielen in Polen ein. "Es ist Krieg", raunten alle im Haus und auf der Straße mit zitternden Stimmen. Manche weinten. Das Ausmaß der Katastrophe, die noch vor uns lag, konnten wir nicht einmal erahnen.

 

Der Krieg hatte unser Leben schnell im Griff. Meine Mutter erinnerte sich an den Winter 1917, an die ekelerregenden Dinge, die sie gegessen hatte, um den Hunger zu bekämpfen. Jetzt waren die Vorboten des Hungers wieder da: die Knappheit, die Mühsal des Sparens und Rechnens, die Lebensmittelkarten und die Schlangen vor den Geschäften. Der Winter wurde hart und streng, die Förde gefror. Der Fisch wurde knapp. Aber der Krieg war noch weit weg. Nur langsam drängte er sich unbarmherzig in unser Bewusstsein: Die Nachrichten, die Feldpost und die schwarz umrandeten Todesanzeigen in den Zeitungen sprachen eine deutliche Sprache.

 

Kritik an diesem Krieg vernahm ich nirgendwo. Dafür sprach man oft von der Pflicht, die zu erfüllen der "Führer" von uns erwarte. Auch in der Schule. Ich war 14 Jahre alt und fragte mich, ob ich eines Tages auch in den Krieg ziehen würde, den ich mir nicht vorstellen konnte. Noch war alles offen.

 

"Der 'Führer' wird schon wissen, was recht ist"

 

Nachdem Verdunkelung angeordnet worden war, kaufte ich schwarze Rollos und bastelte so lange, bis durch keines der Fenster und keine der Türen noch ein Spalt Licht drang. Unser uniformierter Blockwart überwachte jede Wohnung und jedes Haus der Siedlung. Für jedes Loch im Rollo drohten empfindliche Strafen. Der Mann meinte es ernst, denn nun hatte er die Befehlsgewalt, die ihm im zivilen Dasein abgegangen war.

 

Die höheren Dienstgrade innerhalb der Marine-Hitlerjugend, deren Mitglied ich war, und die Lehrer in der Schule mühten sich, uns Vertrauen in die übermenschlichen Fähigkeiten des "Führers" einzubläuen, den Glauben an die geradezu mythische Kraft deutscher Soldaten und die Unüberwindlichkeit deutscher Waffen. Der "Führer", hieß es, marschiere in Polen ein, um Rache zu nehmen für das Ungemach, das die Polen den Deutschen angetan hatten. Heute wissen wir, dass das Propaganda war. Holland, Frankreich, Dänemark und Norwegen wurden überfallen. Der "Führer" wird schon wissen, was recht ist, dachten wir.

 

Mein Vater schien am Sieg der Deutschen keinen Zweifel zu haben. Nachdem deutsche Flugzeuge im November 1940 das Stadtzentrum der englischen Stadt Coventry in Schutt und Asche gelegt hatten, übten wir mit Gasmasken für den Fall eines Vergeltungsschlags mit Gasbomben. Ich schleppte schwere Eimer voller Sand und Wasser auf den Hausboden und übte, wie man die giftigen Stabbrandbomben wirksam löschte. In der Schule sammelten wir Geld für die Auslandsdeutschen. Mutters leicht verstaubten Pelz brachte ich zur Sammelstelle der Winterhilfe, in der Hoffnung, er würde im klirrenden russischen Winter einem Landser die Haut wärmen.

 

Ein deutscher Jungmann weint nicht.

 

1941 wurde ich durch die Vorgesetzten der Marine-Hitlerjugend auf die Seesportschule Prieros im Spreewald geschickt. Ich sollte die seemännische "A-Prüfung" ablegen. Mit Marschpapieren und dicken Stullenpaketen ausgestattet, saß ich zusammen mit drei anderen Hitlerjungen im Zug nach Berlin. Rauchende, trinkende und lärmende Soldaten gaben ihre Fronterlebnisse zum Besten und wurden bewundert. Endstation war der rauchgeschwärzte Lehrter Bahnhof, auf dem ein großes Schild mit den Worten "Räder müssen rollen für den Sieg!" prangte. Schwestern vom Roten Kreuz reichten Saft und Ersatzkaffee. Man gab uns den Befehl, zu unserer Nachtunterkunft loszumarschieren. Trübsinnig und hungrig latschten wir durch dunkle Trümmerstraßen, vorbei an fensterlosen Ruinen. Bis wir vor der alten Kaserne irgendeines Regiments standen und ein mürrischer Wachmann uns unsere Stubennummer zubellte. Nachts gab es Bombenalarm. Die stickige Luft im Keller brummte. Luftminen barsten in der Nähe. Dann gab es endlich Entwarnung.

 

Die Seesportschule in Prieros war ein Heim der Marine-Hitlerjugend für die vormilitärische Ausbildung, ein Drill-Lager, malerisch gelegen am Ufer der träge dahinziehenden Dahme. Um den Fahnenmast mit dem Hakenkreuz gruppierten sich weiße einstöckige Häuser. Ein müder Friseur raspelte uns nach unserer Ankunft die Haare auf Streichholzlänge. Wir bekamen weißes Drillichzeug zum Anziehen, viel zu große Marschstiefel und traten an. Wachführer Fleischhauer richtete sein Säufergesicht auf die jungen Männer und brüllte: "Ich schleif euch die Eier!" Ich hatte den Eindruck, dass er hilflos war und litt. Wie sollte er diesen Sauhaufen bloß zu richtigen Menschen machen? "Ich lache nie", schrie er uns an, "und wenn ich lache, lacht der Teufel."

 

Wachführer Kizina, auch er ein Trinker vor dem Herrn, ließ Tränen, wenn unsere schwermütigen Seemannslieder auf unseren Märschen den Wald durchwehten und die Jungmänner im Drillich unter den Angriffen stechwütiger Moskitos aus den Sümpfen der Spree seufzten. Mancher weinte still in die Kissen, wenn der Wolf im Hintern saß nach all den endlosen Kilometern und die Fersen unter dem baumwollenen Fußlappen sich bis aufs rohe Fleisch wundgescheuert hatten. Aber ein deutscher Jungmann weint nicht - nur verstohlen nachts unter der Decke. Hitlerjungen und Jungmädel redeten im Heim übrigens nie miteinander. Nur beim Morsen in der großen Halle, im singenden Geklacker der Tasten, konnte man das "Ditt-da-Diditt" heraushören, was unter Kennern der Morsesprache heißt: "Ich liebe Dich!"

 

Sehnsucht nach Licht und Freiheit

 

Der Krieg diktierte unser Denken, unsere Gespräche, unsere Beziehungen. Menschen im Krieg sind nicht sie selbst, sondern unwichtige Figuren eines Spiels, dessen Regeln sie nicht durchschauen. Auch deshalb flüchteten wir in das sogenannte Puschenkino nebenan, das man in Hauslatschen betreten konnte. Für 50 Pfennige sahen wir nach der "Deutschen Wochenschau" und dem Kulturfilm über freundliche Blindschleichen oder bärtige Geigenbauer in Mittenwald Filme aus deutscher Produktion: "Oh, diese Männer", "Geheimakte WBI", "Der große König", "Maja zwischen zwei Ehen", "Der Meineidbauer", "Der dunkle Ruf".

 

Im Englischunterricht verteilte der Studienrat Adressen von Frontsoldaten, denen wir schreiben sollten. Ich schrieb einem Leutnant, erhielt Antwort mit einem Foto, auf dem er vor seinem Bunker an der Ostfront zu sehen war. Er schrieb, er habe sich gefreut über das Feldpostpäckchen. Drei Tage später fiel er. Als ich die Nachricht in Händen hielt und mir die Tränen herunterliefen, spielte man im Radio die Soldatenhymne "Lili Marleen", ein Lied, das auch die Engländer einträchtig mitsangen.

 

Irgendwann war das Drill-Lager überstanden, und es ging zurück nach Hause. Im örtlichen Rathaus wurde ich per Handschlag für das sogenannte Polizeischnellkommando vereidigt. Geschützt mit einem Helm musste ich bei Bombenalarm mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren, die Einschlagstellen notieren und später melden. Derweil bellte die Flak und schoss feindliche Flieger vom Himmel. Das Fahrrad putzte, hütete und reparierte ich so gut es nur ging. Es war ein unersetzliches Verkehrsmittel - und noch dazu mein Freund. Auf ihm bewältigte ich den Schulweg, erforschte die Gegend auf einsamen Pfaden. Ich fürchtete um die Schläuche, sie mussten immer wieder geflickt werden. Aber ich sehnte mich nach Licht und Freiheit. So sehr, als hätte ich gewusst, dass ich bald Bekanntschaft mit der Enge und Dunkelheit der Schützengräben machen würde.

                                   DER ZEITZEUGE RUDOLF TAPPESER

[Privatarchiv R. Tappeser. Als Matrose 1944]
[Privatarchiv R. Tappeser. Als Matrose 1944]

Rudolf Tappeser, geb. am 11. März 1927, publizierte 2009 eine Chronik, in der er seine Zeit als Jugendlicher im ostpreussischen Königsberg schildert. Die Zeit zwischen 1938 und 1944 ist durch ein behütetes Familienleben, einen geordneten Schulalltag und durch geplante Freizeitgestaltung innerhalb der Hitlerjugend gekennzeichnet. Seine Neigungen und Fähigkeiten zum Schiffsmodellbau und Zeichnen lenkten sein Interesse zur Seefahrt. Er trat in die Königsberger Marine-HJ ein, die ihn durch einen Lehrgang mit der Reichsseesportschule Gorch Fock in Prieros in Verbindung brachte. Rudolf Tappeser starb am 30. Sept. 2018. Seine Erinnerungen hatte er seiner Frau Maria Tappeser-Reudelsdorf gewidmet. Mein herzlicher Dank gilt ihrer Mitarbeit und Publikatationsfreigabe  für Textauszüge und Bildmaterial.


[Quelle: Privatarchiv R. Tappeser. Als Matrose vorn links im Bild]
[Quelle: Privatarchiv R. Tappeser. Als Matrose vorn links im Bild]
[Quelle: Privatarchiv R. Tappeser]
[Quelle: Privatarchiv R. Tappeser]

Ostern wurde ich in der Kreuzkirche [von Königsberg] eingesegnet. Die Tante in Brieselang bei Berlin schenkte mir meine erste Armbanduhr. Weil ich inzwischen 14 Jahre war, trat ich meinen Wünschen entsprechend in die Gefolgschaft 3/1 der Marine-Hitlerjugend ein und trug nun "Marineuniform". Ich lernte schnell Morsen, die Flaggensignale und das Winken.


[Privatarchiv R. Tappeser. Seemännische Ausbildung am Modelltisch]
[Privatarchiv R. Tappeser. Seemännische Ausbildung am Modelltisch]
[Privatarchiv: Kutterpullen, RSSS Gorch Fock]
[Privatarchiv: Kutterpullen, RSSS Gorch Fock]

[Als Aspirant für zukünftige Führungskräfte in der Kriegs- und Handelsmarine] legte ich die Prüfung für das Seesportfunkabzeichen ab und nahm an einem Lehrgang für die A-Prüfung der Marine-HJ an der Reichsseesportschule Prieros, südlich von Berlin, teil. Auf der Hinfahrt machte ich Stastion bei meiner Berliner Tante und sah mir den Funkturm und das Olympiastadion an.


DER ALLTAG AN DER REICHSSEESPORTSCHULE

Private pictures made by a Navy-boy from the "Reichsseesportschule Gorch Fock". It shows the more or less relaxing daily life in contrast to hard drill, mentioned in letters or on postcards.

Reprints from photos after 1945. No informations about photographer or re-producer.

[Nachdruck vom Negativ nach 1945. Fotograf unbekannt. Privatarchiv: Saalfeld]
[Nachdruck vom Negativ nach 1945. Fotograf unbekannt. Privatarchiv: Saalfeld]
[Nachdruck vom Negativ nach 1945. Fotograf unbekannt. Privatarchiv: Saalfeld]
[Nachdruck vom Negativ nach 1945. Fotograf unbekannt. Privatarchiv: Saalfeld]


AUTOR

Dipl. Ing. Architekt

Reinhard Saalfeld

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Prierosbrück

Brandenburg

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Vom Sporthaus Dubrow 1928 zum

Freizeitcamp Prieros 2017

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